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Pflegegrad 1 (2024) – Voraussetzungen, Antrag und Leistungen
Erfahren Sie, wie Sie Pflegegrad 1 beantragen: Voraussetzungen, Prozess und Leistungen einfach erklärt.
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Wenn Angehörige eine Beeinträchtigung der Selbstständigkeit im Alltag bei einem geliebten Menschen beobachten, wird das Thema Pflegebedürftigkeit relevant. Damit geht auch die Frage danach einher, ob ein Anspruch auf Pflegegrad 1 besteht. Im Folgenden möchten wir erklären, welche Voraussetzungen für die Einstufung in Pflegegrad 1 gegeben sein müssen, wie sich der Prozess der Antragstellung gestaltet und welche Leistungen Menschen mit Pflegegrad 1 zustehen.
Kurz und Kompakt | ||
---|---|---|
Seit 2017 gilt das 2. Pflegestärkungsgesetz (PSG II), wodurch die ehemaligen drei Pflegestufen von fünf Pflegegraden abgelöst wurden | ||
Eine Einstufung in Pflegegrad 1 wird vorgenommen, wenn eine geringe Beeinträchtigung der Selbstständigkeit beim betroffenen Menschen festgestellt wird | ||
Menschen mit Pflegegrad 1 haben Anspruch auf den Entlastungsbetrag (125 Euro pro Monat), monatlich 40 Euro für Pflegehilfsmittel sowie Zuschüsse für mobile oder stationäre Notrufsysteme, Wohnraumanpassungen und Pflege-Wohngruppen | ||
Pflegegeld, Pflegesachleistungen, Geld für (teil-)stationäre Pflege und Zuschüsse für die Kurzzeit- und Verhinderungspflege sind Menschen mit höheren Pflegegraden vorbehalten | ||
Auf die Beantragung eines Pflegegrads folgt die Begutachtung des Betroffenen durch den Medizinischen Dienst (MD) oder die Medicproof GmbH | ||
Das Gutachten basiert auf sechs Modulen, welche die Selbstständigkeit des Begutachteten in unterschiedlichen Lebensbereichen ins Auge fassen |
Was ist der Pflegegrad 1?
Das Ausmaß der Pflegebedürftigkeit wird in insgesamt fünf Pflegegraden definiert. Pflegegrad 1 ist sozusagen der niedrigste der fünf Pflegegrade und wird dann festgestellt, wenn eine geringe Beeinträchtigung der Selbständigkeit vorliegt. Das bedeutet, dass Betroffene ihren Alltag nicht mehr vollumfänglich eigenständig bestreiten können und deshalb auf Unterstützung – zum Beispiel durch pflegende Angehörige – angewiesen sind.
Jeder Pflegegrad ist an gewisse Voraussetzungen gebunden und berechtigt zum Erhalt bestimmter Leistungen der Pflegeversicherung beziehungsweise Pflegekasse. Damit ein Antrag gestellt werden kann, muss zunächst ein Pflegegutachten durch den Medizinischen Dienst oder durch Gutachter von Medicproof erstellt werden. Im Rahmen dieser Begutachtung kommt ein spezielles Punktesystem zum Einsatz, auf welches wir später noch genauer zu sprechen kommen.
Liegt das Ergebnis bei mindestens 12, aber weniger als 27 Punkten, wird Pflegegrad 1 festgestellt.
Innhaltsverzeichnis
Pflegegrad und Pflegestufe - Wo liegt der Unterschied?
2017 wurde das 2. Pflegestärkungsgesetz eingeführt, das eine Änderung im System zur Einstufung der Pflegebedürftigkeit herbeiführte. Zuvor basierte die Beantragung von Leistungen aus der Pflegekasse auf drei Pflegestufen. Seit 2017 ersetzen die fünf Pflegegrade diese ehemals gültigen Pflegestufen. Damit geht in vielen Fällen eine deutliche Verbesserung der Situation für betroffene Menschen, ihre Angehörigen und die Pflegekräfte einher.
Info Box
Wissenswert: Was heute Pflegegrad 1 ist, wurde unter dem früheren System überhaupt nicht berücksichtigt. Die frühere Pflegestufe 1 entspricht seit der Gesetzesänderung von 2017 den Pflegegraden 2 bis 3.
Leistungsarten: Welche Formen der Unterstützung sind mit Pflegegrad 1 möglich?
Pflegebedürftige des Pflegegrades 1 haben Anspruch auf unterschiedliche Leistungen, die für die betroffenen Menschen selbst, aber insbesondere auch für deren Angehörige und Pflegepersonen eine große Unterstützung darstellen können. Vorab sei gesagt: Die Leistungen der Pflegeversicherung wachsen in ihrem Umfang mit steigender Pflegestufe. Das bedeutet, dass mit Pflegegrad 1 Leistungen bewilligt werden, die teils weit unter dem liegen, was Menschen mit Pflegegrad 2 bis 5 zugesprochen wird.
Die folgende Tabelle zeigt die Leistungen für Personen mit Pflegegrad 1 in der Übersicht:
Leitung (Pflegegrad1) | Betrag |
---|---|
Betreuungs- und Entlastungsleistungen (Pflegegled) | 125 Euro |
Pflegegeld | 0 Euro |
Pflegesachleistung | 0 Euro |
Pflegehilfsmittetl zum Verbrauch | 40 Euro |
Hausnotruf | max. 25 Euro |
Anpassung Wohnumfeld | 4.000 Euro |
Wohngruppenzuschuss | 214 Euro |
Beratungsangebote | kostenfrei |
Pflegekurse für Angehörige | kostenfrei |
Zusätzlich möchten wir etwas genauer schildern, was es mit den in Pflegegrad 1 inbegriffenen Betreuungs- und Entlastungsleistungen sowie Geldleistungen auf sich hat.
Entlastungsbetrag
Versicherte mit Pflegegrad 1 erhalten einen sogenannten Entlastungsbetrag in Höhe von 125 Euro pro Monat. Dabei handelt es sich um zweckgebundene Geldleistungen, welche die Selbständigkeit des pflegebedürftigen Menschen fördern und angehörige Pflegepersonen entlasten sollen. Dieser Betrag kann auch in Pflegeleistungen, die von durch die Pflegekasse anerkannten Dienstleistern erbracht werden, investiert werden. So kann der Entlastungsbetrag bei Pflegegrad 1 zum Beispiel in einen Begleit- oder Einkaufsservice, eine Haushaltshilfe, Pflegedienste oder die Teilnahme an stundenweisen Gruppenbetreuungsangeboten investiert werden.
Für gewöhnlich wird der Entlastungsbetrag erst ausgezahlt, wenn der Pflegekasse entsprechende Rechnungen vorliegen. Sprich: Sie müssen zuerst einmal in Vorkasse gehen und können ausgestellte und vorab bezahlte Rechnungen anschließend bei der Pflegekasse einreichen. Umso wichtiger ist es, sicherzustellen, dass der in Anspruch genommene Dienst eine passende Zulassung vorweisen kann. Denn ansonsten wird die Pflegekasse den Entlastungsbetrag auch bei Vorlage einer Rechnung nicht freigeben.
Sollten Sie den monatlichen Entlastungsbetrag von 125 Euro einmal nicht nutzen, können Sie das problemlos bis zur Mitte des Folgejahres nachholen. Nach dem 30.06. des Folgejahres verfällt der Anspruch, sodass bis dahin ungenutzte Beträge nicht mehr eingefordert werden können.
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Pflegehilfsmittel
Zum Erwerb von Gegenständen und Geräten, welche für die häusliche Pflege benötigt werden, steht Menschen mit Pflegegrad 1 ein Betrag von 40 Euro pro Monat zur Verfügung. Diese Leistungen fließen in der Regel vor allem in die Anschaffung von Verbrauchsmaterialien, welche laufend neu beschafft werden müssen. Dazu gehören zum Beispiel Einweghandschuhe und Schutzmasken, Desinfektionsmittel, Bettschutzeinlagen oder auch Schutzkittel.
Während ehemals ein Antrag auf das Geld für Pflegehilfsmittel gestellt werden musste, ist dies seit 2017 nicht mehr zwingend notwendig. Die Übernahme der Kosten für Pflegehilfsmittel, welche bei der Erstellung des Pflegegutachtens empfohlen wurden, wird mit dem Gutachten automatisch beantragt. Allerdings ist der Pauschalbetrag grundsätzlich auf 40 Euro gedeckelt und erhöht sich auch dann nicht, wenn die realen Aufwendungen für die benötigten Hilfsmittel zur Pflege weit darüber liegen.
Wissenswert: Aufgrund der Corona-Pandemie und der damit verbundenen Preisanstiege für Schutzartikel erhöhte die Pflegekasse den Anspruch der Versicherten im Bereich Pflegehilfsmittel kurzzeitig auf 60 Euro. Seit 2022 gilt allerdings wieder der gewohnte Betrag von 40 Euro.
Hausnotruf
Der Hausnotruf ist ein technisches Pflegemittel, das in zwei verschiedenen Varianten erhältlich ist. Die stationären Notrufsysteme werden fix im Wohnraum des Betroffenen angebracht, mobile Systeme werden zumeist am Arm oder um den Hals getragen. Die Pflegekasse bezuschusst die Einrichtung und Aufrechterhaltung eines Hausnotrufsystems bei Pflegegrad 1 mit 23 Euro bis 25,50 Euro pro Monat. Die genaue Höhe des Betrags hängt vom gewählten Anbieter der Notrufsysteme ab. Der Hintergrund: Zum ersten Juli 2021 schloss die Pflegeversicherung neue Verträge mit den Anbietern, denen jedoch nicht alle Systembetreiber beigetreten sind. Den höheren Zuschuss von 25,50 Euro gibt es demnach nur, wenn sich der jeweilige Anbieter für den Vertragsbeitritt entschieden hat.
Wohnraumanpassung
Die Beeinträchtigung der Selbständigkeit pflegebedürftiger Menschen wird oftmals durch Barrieren im Wohnraum verstärkt. Das können beispielsweise steile Treppen oder tiefe Badewannen sein, die von der beeinträchtigten Person nicht mehr gefahrlos alleine verwendet werden können. Dann können Wohnraumanpassungen, welche wieder mehr Selbstständigkeit ermöglichen, Gold wert sein. Für solche Maßnahmen, wie etwa die Installation eines Treppenlifts, sieht die Pflegekasse bei Pflegegrad 1 einmalig 4.000 Euro vor.
Wissenswert: Leben mehrere Menschen mit Pflegegrad 1 in ein und demselben Haushalt, kann der Zuschuss für Wohnraumanpassungen für jede Person einzeln beantragt werden, allerdings maximal vierfach. Bedeutet konkret: Bei mehreren Bewohnern, die ein Recht auf diesen Zuschuss haben, ist die Gesamtsumme auf 16.000 Euro limitiert.
Wohngruppenzuschuss
Zusätzlich gibt es den Wohngruppenzuschuss. Anspruch darauf haben pflegebedürftige Menschen mit Pflegegrad 1, die mit anderen Menschen in eine Pflege-Wohngruppe – zum Beispiel in Form einer Senioren-WG – ziehen. Wichtig: Auch beim Wohngruppenzuschuss ist die Bezuschussung auf maximal vier zusammenlebende Personen beschränkt. Diese erhalten monatlich jeweils 214 Euro, die beispielsweise zur Bezahlung einer Organisations- oder Reinigungskraft genutzt werden können. Hinzu kommen einmalig 2.500 Euro pro Person und maximal 10.000 Euro pro Wohngruppe für die bedarfsgerechte Einrichtung der Räumlichkeiten.
Beratung und Pflegeschulungen für Angehörige
Ergänzend zu den beschriebenen Leistungen steht pflegenden Angehörigen der Besuch von Pflegeschulungen sowie eine Pflegeberatung bezüglich einer optimalen heimischen Pflege zu. Die Pflegekasse hat diese besonderen Leistungen nicht an einen Pflegegrad gekoppelt, sodass sie für Pflegepersonen von Menschen mit Pflegegrad 1 in jedem Fall verfügbar sind.
Wissenswert: Es gibt in puncto Beratungseinsätze dennoch einen Unterschied zwischen den Pflegegraden. Diese Beratungsangebote sind bei Pflegegrad 1 nämlich absolut freiwillig, werden mit Pflegegrad 2 aber verpflichtend, und zwar im halbjährlichen Rhythmus.
Höhere Pflegegrade: Erweiterte Leistungen bei erhöhtem Pflegebedarf
Ein beträchtlicher Teil der insgesamt möglichen Leistungen der Pflegekasse beziehungsweise Pflegeversicherung ist erst ab Pflegegrad 2 oder höheren Pflegegraden vorgesehen. Mit einem Blick auf diese Tabelle können Sie sich einen Überblick über diese Pflege- und Geldleistungen verschaffen:
Pflegegrad | Pflegegeld | Pflegesachleistungen | Verhinderungspflege | Kurzzeitpflege |
---|---|---|---|---|
1 | 0 Euro | 0 Euro | 0 Euro | 0 Euro |
2 | 316 Euro/Monat | 724 Euro/Monat | 1.612 Euro/Monat | 1.774 Euro/Monat |
Selbstverständlich möchten wir auch auf die Leistungen, die frühestens ab Pflegegrad 2 beantragt werden können, in aller Kürze eingehen.
Pflegegeld
Das Pflegegeld ist sicherlich die bekannteste der Geldleistungen der Pflegekasse und oft auch Menschen bekannt, die selbst noch nicht in der Situation sind, sich um Angehörige mit Pflegebedarf kümmern zu müssen. Grundsätzlich wird Pflegegeld erst ab Pflegegrad 2 ausgezahlt und ist dazu gedacht, pflegende Angehörige für ihren Aufwand zu entschädigen und finanziell zu entlasten. Dabei gilt: Je ausgeprägter die Pflegebedürftigkeit, desto mehr Pflegegeld wird bezahlt. Das reicht von 316 Euro pro Monat für Personen mit Pflegegrad 2 bis hin zu monatlich 901 Euro für Menschen mit Pflegegrad 5.
Die Pflegekasse rechtfertigt den fehlenden Anspruch auf Pflegegeld bei Pflegegrad 1 damit, dass die Betroffenen entsprechend der Einstufung trotz geringfügig eingeschränkter Alltagskompetenz noch ein vergleichsweise hohes Maß an Selbstständigkeit aufweisen.
Wissenswert: Das Pflegegeld steht nur dann zur Verfügung, wenn die Person mit Pflegegrad 1 zuhause betreut wird. Bewohnt sie hingegen ein Pflegeheim, entfällt folglich das Recht auf Pflegegeld.
Pflegesachleistungen
Pflegesachleistungen sind Leistungen zur Pflege, die von einem ambulanten Pflegedienst übernommen werden. Da die Beauftragung eines Pflegedienstes bei Pflegegrad 1 zumeist noch nicht unbedingt nötig ist, ist auch kein Zuschuss für Pflegesachleistungen von der Pflegekasse vorgesehen. Bei Bedarf kann gegebenenfalls der Entlastungsbetrag in die Pflegesachleistungen bei Pflegegrad 1 investiert werden.
Kurzzeit- und Verhinderungspflege
Wie der Name bereits nahelegt, versteht man unter der Verhinderungspflege die professionelle Pflege einer pflegebedürftigen Person für einen begrenzten Zeitraum, in dem die angehörige Pflegeperson verhindert ist. Die Kurzzeitpflege gestaltet sich ähnlich und kann zum Beispiel dann notwendig werden, wenn für absehbare Zeit ein erhöhter Aufwand bei der Pflege entsteht.
Aufgrund der lediglich geringfügigen Beeinträchtigung der Selbstständigkeit bei Personen mit Pflegegrad 1 sind diese beiden Pflegeleistungen erst ab höheren Pflegegraden zugänglich. Wenn Sie sich um einen pflegebedürftigen Angehörigen mit Pflegegrad 1 kümmern und kurzzeitig nicht für dessen Pflege sorgen können, können Sie die anfallenden Kosten für die stellvertretende Pflege durch einen professionellen Dienstleister zumindest teilweise durch den Entlastungsbetrag decken.
Teil- und vollstationäre Pflege
Dasselbe gilt für die teil- und vollstationäre Pflege und damit auch für die Tages- und Nachtpflege. Auch diese Pflegeleistungen können Versicherte erst ab Pflegegrad 2 von der Pflegeversicherung bezuschussen lassen. Der Entlastungsbetrag kann bei Pflegegrad 1 jedoch jederzeit dafür aufgewendet werden.
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Anspruch und Ablauf: Beantragung und Voraussetzungen für den Pflegegrad 1
Wenn Sie mit der Pflege eines Angehörigen betraut sind und unterstützende Leistungen nach Pflegegrad beantragen möchten, führt der Weg über die Pflegeversicherung. Im ersten Schritt genügt ein formloser Antrag, der Ihren Wunsch, Leistungen von der Pflegekasse zu beziehen, zum Ausdruck bringt. Auf welchen Pflegegrad sich der Antrag genau bezieht, muss nicht zwingend integriert werden. Denn: Die Entscheidung darüber wird im weiteren Verlauf von der Pflegekasse getroffen.
Wissenswert
Wird ein Punktwert unter 12,5 Punkten errechnet, kann zum jetzigen Zeitpunkt kein Pflegebedarf, welcher Pflegegrad 1 rechtfertigen würde, festgestellt werden. Versicherte haben in diesem Fall die Möglichkeit, binnen vier Wochen Widerspruch einzulegen. Dasselbe gilt, wenn der Versicherte den errechneten Pflegegrad für zu niedrig hält.
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Im Anschluss wird die Pflegekasse den Prozess zur Begutachtung der Pflegebedürftigkeit anstoßen. Wie bereits mehrfach erwähnt, führt im Grundsatz eine geringe Beeinträchtigung der Selbstständigkeit zum Anspruch auf Pflegegrad 1. Zum Nachweis des Pflegebedarfs und um eine Einordnung nach Pflegegrad vornehmen zu können, wird ein Termin für die Pflegebegutachtung angesetzt. Das Gutachten wird dabei entweder durch Gutachter des Medizinischen Dienstes oder der Medicproof GmbH erstellt. Für die Begutachtung gesetzlich Versicherter ist der MD zuständig, privat Versicherte werden von Medicproof begutachtet.
Um optimal auf den Termin zur Begutachtung der Pflegebedürftigkeit vorbereitet zu sein, ist es ratsam ein Pflegetagebuch zu führen. Als Pflegeperson schreiben Sie darin auf, wann Sie welche Arbeiten der Pflege verrichten und wie lange diese jeweils dauern. Eine solche Dokumentation unterstützt Sie dabei, den Aufwand, der Ihnen durch die Pflege verursacht wird, selbst realistisch einzuschätzen und gegenüber dem Gutachter zu kommunizieren.
Die Begutachtung findet normalerweise bei der pflegebedürftigen Person zuhause statt und konzentriert sich inhaltlich auf den Fragenkatalog des Neuen Begutachtungsassessments (NBA). Im Mittelpunkt steht dabei allem voran die Selbstständigkeit des Pflegebedürftigen im Alltag, da diese in Sachen Pflegegrad-Bestimmung ausschlaggebend ist. Insgesamt beziehen sich die Fragen auf sechs Lebensbereiche, die als Module bezeichnet und im weiteren Verlauf im Detail beschrieben werden. Aus einer variierenden Gewichtung der einzelnen Module und ihrer jeweiligen Kriterien wird letztendlich ein Punktwert errechnet, welcher den Pflegegrad anzeigt. Dabei führt eine Punktzahl zwischen 12,5 und 27 Punkten zur Einstufung in Pflegegrad 1. Den Bescheid über das Ergebnis der Begutachtung erhalten Sie üblicherweise ein bis zwei Wochen nach dem Termin direkt von der Pflegekasse.
Festlegung des Pflegegrades 1 - Kriterien bei Pflegebegutachtung und Einstufung
Wir tauchen nun etwas tiefer in das Thema Pflegegutachten ein und nehmen die Module, auf denen die Einstufung in Pflegegrade basiert, unter die Lupe. Die Begutachtung des Pflegebedarfs anhand der bereits angesprochenen sechs Module mit ihren jeweils bis zu 16 zugehörigen Kriterien mündet in einer Gesamtpunktzahl von maximal 100 möglichen Punkten. Es gilt: Je höher die Punktzahl, desto höher der Pflegegrad. Das Gutachten erstreckt sich im Konkreten über diese Module:
Mobilität
Das Modul der Mobilität macht in seiner Gewichtung 10 % des Gutachtens aus und bezieht sich in der Hauptsache auf die motorischen Fähigkeiten des Betroffenen. Interessant ist hierzu für den Gutachter mitunter, inwiefern sich der Pflegebedürftige körperlich bewegen und so eigenständig in seinem Wohnumfeld zurechtfinden kann. Kann er sich alleine hinsetzen und wieder aufstehen? Braucht er Hilfe beim Treppensteigen? Ist er auf Unterstützung angewiesen, um sich innerhalb seiner Wohnung von Raum zu Raum zu bewegen? All das sind Aspekte, die als Anhaltspunkte zur Beurteilung der Mobilität dienen.
Kognitive und kommunikative Fähigkeiten
Mit lediglich 7,5 % gewichtet, gehört das Modul der kognitiven und kommunikativen Fähigkeiten zu den am schwächsten einflussnehmenden Bereichen. Auf dem Prüfstand steht hier unter anderem die Fähigkeit des Betroffenen, sich räumlich und zeitlich zu orientieren. Weiß er, wo er sich befindet, und kann Datum und Tageszeit einordnen? Der Fokus liegt zudem auf dem Erinnerungsvermögen des Pflegebedürftigen sowie auf seiner Entscheidungsfähigkeit und seinem Risikobewusstsein. Ist er in der Lage, alltägliche Entscheidungen selbstständig zu treffen? Kann er Risiken realistisch wahrnehmen und einschätzen? Hinzu kommen die kommunikativen Fertigkeiten, die sich darauf beziehen, ob sich der Betroffene verständlich mitteilen, seine Bedürfnisse äußern und geschilderte Sachverhalte begreifen kann.
Verhaltensweisen und psychische Problemlagen
Ebenfalls mit einer Gewichtung von 7,5 % beteiligt, geht es im dritten Modul um den psychischen Zustand des Begutachteten. Zeigt er zum Beispiel aggressive Verhaltensweisen und neigt in diesen Momenten zu verbalen oder körperlichen Angriffen? Kommt es damit zusammenhängend zur Beschädigung von Gegenständen? Reagiert der Begutachtete auf Hilfsangebote und mit der Pflege verbundene Tätigkeiten der Pflegeperson mit vehementer Abwehr? Oder ist der Betroffene vielleicht nicht aggressiv, sondern vielmehr häufig stark verängstigt und braucht Unterstützung, um diesen Zustand durchstehen zu können? Relevant sind darüber hinaus Unruhezustände, wie sie nicht selten gerade nachts auftreten, sowie Wahnvorstellungen und ähnliche psychische Auffälligkeiten.
Selbstversorgung
Die Selbstversorgung ist das Modul mit der stärksten Gewichtung, die bei ganzen 40 % liegt. Hier dreht sich alles um die Grundpflege und -versorgung im Alltag und darum, inwiefern der Pflegebedürftige diese selbst vornehmen kann beziehungsweise an welchen Stellen Einschränkungen ersichtlich sind. Ist der Betroffene in der Lage dazu, die alltägliche Körperpflege ohne Hilfe von außen durchzuführen? Kann er eigenständig die Toilette benutzen, die Kleidung wechseln und dafür sorgen, dass er genügend isst und trinkt? Falls die Selbstversorgung nicht mehr vollumfänglich im Alleingang möglich ist, kommt es bei der Beurteilung in diesem Modul besonders stark darauf an, in welchem Maße der Betroffene auf Unterstützung angewiesen ist.
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Bewältigung und selbstständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Belastungen
Pflegebedürftige Menschen sind nicht selten mit einigen gesundheitlichen Einschränkungen und Problemen belastet, die im Alltag berücksichtigt werden müssen. Dieses fünfte Modul, das mit 20 % gewichtet wird, konzentriert sich auf die Fähigkeit des Begutachteten, damit einhergehende Tätigkeiten eigenständig auszuführen. Beispiele für solche Tätigkeiten sind das regelmäßige Messen des Blutdrucks, das Vorbereiten und Einnehmen von Medikamenten, das Wechseln von Verbänden und das Wahrnehmen von gesundheitlich relevanten Terminen. Ausschlaggebend ist also vorrangig nicht, ob ein Begutachteter eine bestimmte Erkrankung hat, sondern vor allem, inwiefern er im Alltag selbstständig mit dieser umgehen kann.
Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte
Die letzten 15 % der Gewichtung fallen dem Modul zur Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte zu, dessen Inhalt nahezu selbsterklärend ist. Hierzu möchte der Gutachter mitunter ergründen, ob der Pflegebedürftige seinen Tag selbst planen und strukturieren kann und ob er es schafft, einen für ihn adäquaten Schlaf-Wach-Rhythmus einzuhalten. Zur Sprache kommen daneben die sozialen Kontakte des Begutachteten sowie dessen Freizeitgestaltung. Gelingt es ihm eigenständig, bestehende Kontakte zu pflegen, und kann er sich andersherum alleine beschäftigen, wenn gerade keine sozialen Interaktionen gegeben sind?
Wissenswert: Die geschilderten Kriterien werden in dieser Form zur Beurteilung der Pflegebedürftigkeit von Erwachsenen eingesetzt. Wird ein solches Gutachten für ein pflegebedürftiges Kind angefertigt, weicht der Fragenkatalog bedingt durch die veränderten Rahmenbedingungen stellenweise ab.
Direkte Ansprechpartner in Sachen Pflegegrad 1
Sie haben bemerkt, dass sich die Selbstständigkeit im alltäglichen Leben bei einem Menschen, um den Sie sich kümmern, verringert hat und haben diesbezüglich weiterführende Fragen rund um die Pflegegrade und die Pflegebedürftigkeit im Allgemeinen? Dann ist die Pflegekasse Ihr erster Ansprechpartner. Alternativ können Sie auch den Weg über die Krankenkasse gehen, die Sie in aller Regel problemlos mit der Pflegekasse in Kontakt bringen kann.
Weitere Adressen, die Ihnen weiterhelfen können, sind der nächstgelegene Pflegestützpunkt und das Bürgertelefon des Bundesministeriums für Gesundheit, das Sie unter der Nummer 030/ 340 60 66-02 erreichen können.
Falls Sie bereits einen Antrag auf einen Pflegegrad eingereicht haben, können Sie übrigens eine kostenlose Pflegeberatung durch die Pflegeversicherung in Anspruch nehmen. Ein solches Beratungsangebot sollte Ihnen binnen zwei Wochen nach Antragstellung ermöglicht werden, und zwar unabhängig davon, ob Sie den entscheidenden Bescheid der Pflegekasse bereits erhalten haben und was dieser besagt.
Fragen & Antworten zum Pflegegrad 1
Abschließend möchten wir kurz und knapp Antworten auf die Fragen, die am häufigsten zu Pflegegrad 1 gestellt werden, geben:
Pflegegrad 1 ist der niedrigste von insgesamt fünf Pflegegraden zur Einstufung der Pflegebedürftigkeit. Die Pflegegrade dienen der Pflegekasse zur Ermittlung des Pflegebedarfs und berechtigen die betroffenen Personen zum Erhalt bestimmter Leistungen, welche sie in ihrer Selbstständigkeit unterstützen und pflegende Angehörige entlasten sollen.
Nein, denn die Pflegestufe 1 gibt es nicht mehr. 2017 trat das 2. Pflegestärkungsgesetz in Kraft, mit dem die ehemaligen drei Pflegestufen durch fünf Pflegegrade ersetzt wurden. Die frühere Pflegestufe 1 entspricht heute dem Pflegegrad 2 oder 3.
Nein, das Pflegegeld ist Menschen mit höheren Pflegegraden vorbehalten und wird nicht an Personen mit Pflegegrad 1 ausgezahlt.
Wird der Pflegegrad 1 festgestellt, entsteht dadurch ein Anspruch auf den monatlichen Entlastungsbetrag in Höhe von 125 Euro, 40 Euro Zuschuss für Pflegehilfsmittel sowie Zuschüsse für mobile oder stationäre Notrufsysteme, Wohnraumanpassung und gegebenenfalls Pflege-Wohngruppen.
Da bei Pflegegrad 1 kein Geld für (teil-)stationäre Pflege, Kurzzeit- und Verhinderungspflege sowie Pflegesachleistungen von der Pflegekasse gezahlt wird, kann der Entlastungsbetrag in diese Leistungen investiert werden.
Wer einen Pflegegrad erhalten möchte, muss zuerst einen Antrag bei der Pflegeversicherung einreichen. Es folgt die Beurteilung des Pflegebedarfs durch Gutachter des MD oder der Medicproof GmbH, woraus bei Erfüllung der Voraussetzungen die Einstufung in einen Pflegegrad resultiert. Ausschlaggebend ist in der Beurteilung vor allem die Fähigkeit zur selbstständigen Bewältigung des Alltags des Begutachteten.
Fällt der Bescheid negativ aus, besteht die Möglichkeit, binnen vier Wochen Widerspruch einzulegen.
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